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Perfekt

  • Autorenbild: Oliver Nagel
    Oliver Nagel
  • 11. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit

Ich werde in letzter Zeit viel gelobt. Schon für Kleinigkeiten. Wenn ich zum Beispiel einen Espresso und ein Croissant im Café bestelle, lobt mich die Bedienung mit dem Wort: "Perfekt." Eine perfekte Bestellung! So bin ich. Mühelos sogar!

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Ich bin gerade urlaubshalber in Venedig, und wenn diese Stadt eines nicht ist, dann: perfekt. Die Türme stehen schief, der Putz fällt von der Wand, die Gassen sind schmal, und schnell mal mit dem Auto zum Bäcker fahren geht auch nicht. Das muss man schon mit dem Vaporetto, und da zahlt man dann gleich 9,50 EUR für eine einzige Fahrt, oder halt 65.- für ein Wochenticket. Das sind 260.- pro Monat! Für Nahverkehr! Dass es dann keine gescheiten Brötchen gibt beim Bäcker: geschenkt.


Wenn man sich eine perfekte Stadt vorstellen möchte, dann erfüllt Venedig da vermutlich die wenigsten Ansprüche. Aber so ist das im Leben: die Vorstellung, wie etwas oder jemand sein soll, der Anspruch an Partnerschaft, an den "schönsten Tag des Lebens" (um mal zum Thema zu kommen), der am liebsten "perfekt" sein soll – das alles führt nicht zwangsläufig zum Ziel.


Denn niemand hätte sich wohl eine Stadt erträumt, in der man im Winter schon mal nasse Füße kriegt, im Sommer von der Sonne geknüppelt wird, in der es hie und da mal ganz schön muffig riecht (auch wenn die Kanäle längst viel sauberer sind, als man in Erinnerung hat).


Und doch ist Venedig eine der schönsten, wenn nicht die schönste Stadt, die ich kenne. Weil es sie mit all ihren Wundern, von Kunst und Kultur bis Hundestrand, nur ein einziges Mal auf der Welt gibt. Einzigartigkeit, DAS könnte ein Ziel sein, oder (auch wenn ich das Wort nicht mag): Authentizität. Unverwechselbar sein, so starke Erinnerung schaffen, dass man schon beim zweiten Aufenthalt zurück kommt, weil die Stadt so tiefe Furchen in der eigenen Gehirnrinde hinterlassen hat, dass man beim ersten Blick, beim ersten Atemzug weiß: Das KANN nur Venedig sein.


Also: Wenn ihr eine Feier plant, sei der Anlass fröhlich oder traurig, wenn ihr eine Markierung einer Weggabelung im Leben möchtet, an die ihr euch erinnert: Setzt auf Einzigartigkeit, auf das Spezielle, auf eure Eigenheit. Nicht auf Perfektionismus.

 
 
 

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