Zum Lachen, zum Weinen
- Oliver Nagel
- 24. Sept. 2024
- 2 Min. Lesezeit
So richtig explizit hat es mich noch niemand gefragt, aber es ist mir natürlich bewusst, dass das vielen Menschen ein großes Rätsel ist: Warum bin ausgerechnet ich, der ich mein Geld bislang mit komischen Texten verdient habe, nun (auch) Trauerredner geworden? Ist das nicht das genaue Gegenteil von allem, was ich bislang gemacht habe? Kann jemand, der sein ganzes Leben lang Witze gemacht hat, dem nichts heilig war, nun seriöse, glaubhaft würdige Reden auf Verstorbene halten?
Vielleicht ist das eines der großen Missverständnisse: Dass Lachen das Gegenteil von Weinen ist. Dass sich Komik und Trauer gegenseitig ausschließen.
Das ist nämlich einfach nicht wahr.
Es ist nicht wahr in der Kunst. Wer einmal Roberto Benignis DAS LEBEN IST SCHÖN (1997) gesehen hat, Taika Waitits JOJO RABBIT (2019) oder irgendeinen Film von Aki Kaurismäki, der weiß sofort: die sind aufrichtig traurig – und doch gibt es immer komische Momente. Im besten Falle sogar gleichzeitig. Kaum etwas ist geht uns dann so sehr unter die Haut wie Szenen, in denen man mehrere Gefühle im selben Moment erfährt: dass man im selben Augenblick lachen und weinen muss.
Es ist aber auch im wirklichen Leben nicht wahr. Menschen mit Humor sterben auch, und ich war nun während meiner Zeit bei Titanic bei einigen Beerdigungen großer Humorschaffender, der von Robert Gernhardt 2006 etwa, bei denen seine Weggefährten die schönsten Reden auf ihn hielten: Pit Knorr und Bernd Eilert etwa, die es mühelos und mit Leichtigkeit geschafft haben, ebenso tief erschüttert über den Tod dieses großen Menschen zu reden wie ihre Zuhörer zum Lachen zu bringen.
Nun ist die Beerdigung großer (auch) komischer Dichter beileibe nicht an der Tagesordnung, und sicher wird bei nicht sehr vielen Trauerfeiern so viel gelacht wie bei denen der Heroen der Neuen Frankfurter Schule.
Aber wenn wir uns an Menschen erinnern, die uns nahe waren, dann doch oft vor allem an die Momente, in denen wir gemeinsam gelacht haben. In denen wir leichtfüßig und unbeschwert waren, fröhlich und ausgelassen, albern und selbstvergessen.
Das sind die Momente, die uns gerade im Moment der größten Trauer die zärtlichsten Gefühle geben. Die uns, wenn Familie, Freunde, Weggefährten die oder den Verstorbenen als Menschen kannten, der heiter und komisch sein konnte, Gemeinschaft geben.
Ich kann mich jedenfalls an viele Trauerfeiern erinnern, wo mindestens ein Mal gelacht wurde. Nicht über jemanden, sondern mit jemandem: mit dem, von dem Abschied genommen wurde. Und mit denen, die da Abschied nahmen. Nie hat jemand das als unpassend empfunden. Ganz im Gegenteil.
Bei Trauerzeremonien geht es darum, wie wir uns an die schönsten Momente mit jemandem erinnern. Das Lachen gehört da immer mit dazu. Gerade wenn wir traurig sind.
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