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Wozu eine Zeremonie, ich will doch nur feiern?!

  • Autorenbild: Oliver Nagel
    Oliver Nagel
  • 8. Okt. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Okt. 2024



Kathrin und ich bei unserer Hochzeit
Kathrin und ich bei unserer Hochzeit

Bald haben Kathrin und ich Hochzeitstag. Wir haben im Herbst 2003 geheiratet und damals beschlossen, wie es sehr viele tun, die standesamtliche Hochzeit als eine eher kleine Feier im Kreise der engsten Familie zu gestalten, dann aber eine große Party für Freunde und Kollegen zu schmeißen.


Wir haben damals in Frankfurt am Main gewohnt, aber in Höchst geheiratet: Da gab es den besseren Termin, das Standesamt ist deutlich schöner (gewesen, weiß nicht, ob das heute noch so ist) als das in Frankfurt, und wir dachten: mit dem Ebbelwei-Express kann man gut von Höchst aus die ganze Familie nach und durch Frankfurt schaukeln. Unsere Eltern kamen alle nicht aus der Gegend, also bietet es sich doch an, so eine Bahn zu mieten, mit Catering und eigener Musik dann ein paar Runden durch Frankfurt zu gondeln und anschließend im Literaturhaus den Tag ausklingen zu lassen.


Wer den Ebbelwei-Express nicht kennt: der ist seit den 70ern eine touristische Institution, aber (so wie die ganze Ebbelwei-Kultur in Frankfurt) nur zumindest so halb ironisch zu genießen. Niemand findet ernsthaft die volkstümliche Ebbler-Musik gut, die da läuft, und natürlich sitzt man bei den planmäßigen Rundfahrten durch die Stadt da zwischen Touristen aus aller Welt – wer will das schon, als Einheimischer.


Aber wir wollten genau das: eine etwas andere Hochzeit.


Kathrin etwa wollte auf keinen Fall in weiß heiraten und hat sich ein schönes japanisches Kleid gekauft – in knallrot. Ich dachte: Dann heirate eben ich in weiß! und habe mir einen weißen Anzug gekauft (und ja, es stimmt, was Max Goldt schreibt: Wenn man einen weißen Anzug trägt, "bewegt man sich anders und bekleckert sich weniger", auch wenn Helmut Berger da eher Gegenteiliges zu erzählen weiß).


Überhaupt: zu heiraten, schien uns damals sehr bürgerlich. Vor wem will man denn seine Liebe schriftlich beglaubigen lassen, vor dem Staat? Warum das denn? Meine Standard-Antwort war damals: Ich heirate, weil ich mal was mit einer verheirateten Frau haben will.


In Wahrheit war es einfach aus Liebe.


Das Fest aber sollte so wenig wie möglich an eine Hochzeit im bürgerlichen Sinne denken lassen. Obwohl natürlich alle wussten, WARUM wir feiern. Hatten ja alle zu unserer Hochzeit eingeladen. Wollten aber nicht im Mittelpunkt stehen. Eigentlich unsinnig.


Und das hat man prompt gemerkt bei der Feier: Es gab keine Zeremonie, und damit keine Leitplanken. Keine Rede(n) (die hatten wir ja schon bei der standesamtlichen Feier und danach gehabt), nichts. Nicht dass jemand wirklich böse gewesen wäre deswegen – aber etwas fehlte. Ich glaube, ich habe schon ein paar Worte verloren, schön dass ihr da seid und viel Spaß und so, aber mehr war es eben nicht.


Am deutlichsten gemerkt hat man das, als es nach dem Essen ans Tanzen gehen sollte. Ich habe selbst aufgelegt, erst mal, und mich gewundert, warum keiner tanzt. Bis Kathrin sagte: Die warten drauf, dass das Hochzeitspaar den Tanz eröffnet.


Ach so! Ja klar, na dann ...


Haben wir das halt gemacht. "It's not unususal" von Tom Jones, was besseres ist mir nicht eingefallen.


Logisch: Keinem haben die Förmlichkeiten so wirklich gefehlt – aber es wollte auch niemand die Formlosigkeit so augenfällig selbst vorantreiben, dass er dem Hochzeitspaar den ersten Tanz vorweggenommen hätte. Mir wär's vollkommen schnuppe gewesen – aber SCHÖNER war's schon MIT etwas Förmlichkeit.


Heute denke ich: Ja, zumindest so ein bisschen Struktur hätte auch dieser Feier gut getan. Man hätte sie ja anders füllen können: Form und Inhalt sind ja nicht dasselbe.


Und natürlich ist genau das die Idee von Zeremonien, auch wenn ich das Wort ein bisschen verstaubt finde: Form, Leitplanken, Rahmen, Struktur. Die Leute freuen sich über diesen Halt, auch bei Feiern, für die man sonst keine Geländer zum Festhalten braucht (jedenfalls nicht am Anfang, am Ende dann vielleicht schon).


Heute würde ich das anders machen. Weiß nicht genau wie, vielleicht hätte ich das ja auch jemanden machen lassen.


Heute weiß ich aber auch, wie das geht. Dass es so viele Möglichkeiten gibt, auch bei den Reden selbst, die da gehalten werden, alles anders zu machen, sodass sich auch Akademiker und Berufsironiker (wie ich damals) davon unterhalten lassen.


Heute weiß ich: Man kann alles ANDERS machen. Aber man kann es nicht NICHT machen. Ein bisschen Zeremonielles muss schon dabei sein.


Umso besser natürlich, wenn man das in die Hände von jemandem legen kann, dem man vertraut, dass er beides souverän schafft: den Leuten Sicherheit und Halt geben, meist schon allein durch Präsenz und Verbindlichkeit, und für emotionale Wärme sorgen und helle, leichte Unterhaltung – durch seine Worte.


Genau dafür gibt es Freie Redner, und ich bin stolz, einer von denen zu sein.


 
 
 

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