K.I.-Reden? Ernsthaft?
- Oliver Nagel
- 26. Aug. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Einer der Gründe, warum ich mich recht schnell begeistert habe für die Idee, als Redner aktiv zu werden, war: Es wird nicht langweilig!
Es wird nie langweilig, weil jeder Mensch, jedes Paar anders ist als alle anderen – und darum auch jede Rede. Unverwechselbar, und darum – nur darum! – unvergesslich.
Wenn ich nun lese, dass es immer mehr Angebote gibt, sich von bestimmten Anbietern Reden schreiben zu lassen ... oder wohl eher: erstellen zu lassen, nämlich von K.I. ... dann finde ich das: zumindest schade. (Privat würde ich noch deutlicher werden.) Und auch: unseriös, dafür überhaupt Geld zu nehmen, denn DAS kann nun wirklich jeder selbst.
Wenn ich mit ChatGPT, Claude, Perplexity und wie sie alle heißen, Texte erstelle, dann merke ich schnell: Das ist generisch. Meint: das Gegenteil von individuell. Klar, wie sollte es auch – die K.I. kennt ja nicht mich oder Euch, sondern allenfalls unsere Daten.
NATÜRLICH habe ich sofort ausprobiert, damit auch mal eine Rede zu schreiben. Und musste wirklich lachen, als ich das Ergebnis gelesen habe. Denn DAS hätte ich auch mit einem Buch wie diesem hier hingekriegt, für das man nun nicht mal "ab 75.- EUR" bezahlen muss, sondern vielleicht einen Euro am Flohmarkt.

Mit dem Buch wäre sie vielleicht sogar besser geworden als das, was die K.I. über meine Oma geschrieben hat:
Meine lieben Freunde, wir haben uns heute versammelt, um Abschied zu nehmen von einer außergewöhnlichen Frau, einer liebevollen Mutter, einer engagierten Organisatorin und einer geliebten Oma. Wir trauern um Käthi Z., eine Säule unserer Gemeinschaft, die uns viel zu früh verlassen hat.
Eine Säule, die uns verlassen hat? Typisch Säule! Und: Meine Oma war in einem so gesegneten Alter, dass "viel zu früh" einfach nur falsch klingt. Und das sind nur die ersten zwei Gedanken, die mir da kommen ... als Mensch. Für die K.I. hätte das schon gepasst so.
Käthi war nicht nur eine Bewohnerin von K., sondern sie war das Herzstück unserer Stadt. Ihr Engagement im Gartenbauverein war beispiellos. Sie war die treibende Kraft hinter vielen grünen Oasen in unserer Stadt, die heute noch blühen und uns an sie erinnern werden. Ihr Wissen über Pflanzen und Blumen schien grenzenlos zu sein, und sie teilte es gerne mit jedem, der bereit war zuzuhören. Ihre Hände haben unzählige Samen in die Erde gelegt und dabei Leben und Schönheit hervorgebracht.
Sie teilte es mit jedem, der bereit war, zuzuhören? Glatt gelogen, und wenn es so gewesen wäre, wäre es vermutlich genau so quälend gewesen, wie ich es da heraushöre. Was ich höre bei "Samen in die Erde gelegt", mache ich jetzt mal nicht explizit – genau DAS will man nämlich um jeden Preis vermeiden bei einer Trauerrede: dass die Angehörigen etwas hören, das unbeabsichtigt ist.
Nein, ich sage Euch: K.I.-Reden für kleines Geld wollt ihr nicht. Sondern jemanden, der weiß, wie es geht: mit Herz und Handwerk. Ich meine, wie oft im Leben steht man denn an so wichtigen Wendepunkten?
Lasst die K.I. Eure Rechnungen schreiben, Standard-Emails, Textzusammenfassungen. Den ganzen Alltags-Kram: dafür kann man sie bestimmt gut brauchen. Wenn schon heute noch nicht, dann vielleicht bald.
Aber Reden auf Menschen, die ihr liebt oder geliebt habt, auf Euch als Paar: Lasst das einen Menschen machen. (Z.B. mich!)
Comments